Positives Altern und Resilienz

Psychische Widerstandsfähigkeit, auch als Resilienz bezeichnet, beschreibt die Fähigkeit eines Individuums, trotz belastender Faktoren psychische Stabilität zu bewahren. Verschiedene Faktoren beeinflussen die Resilienz, darunter biologische, psychologische und soziale Aspekte. In der gerontologischen Theorie wird der sogenannte Positivitätseffekt hervorgehoben, der besagt, dass im Alter der Fokus zunehmend auf positiven Aspekten des Lebens liegt. Forschungsergebnisse zeigen, dass diese positive Ausrichtung im höheren Alter zu einer Steigerung der Lebenszufriedenheit und des Wohlbefindens führen kann.

Der amerikanische Soziologe Aaron Antonovsky entwickelte in den 1970er Jahren das Salutogenesemodell, das eine ganzheitliche Perspektive auf Gesundheit bietet. Dabei stellt sich die zentrale Frage, wie es gelingt, Gesundheit trotz bestehender Risikofaktoren zu erhalten. Antonovsky betont, dass zur Erreichung eines optimalen Gesundheitszustands externe Anforderungen mit Hilfe innerer Ressourcen bewältigt werden müssen. Dieses Bewältigungspotenzial bezeichnet er als „Kohärenzgefühl“ (sense of coherence, SOC). Das Kohärenzgefühl eines Menschen basiert auf seinen individuellen Erfahrungen und dem Sinn, den er bestimmten Lebensereignissen zuschreibt. Antonovsky widmete sich der Untersuchung der inneren Kräfte, die es einem Menschen ermöglichen, trotz widriger Bedingungen gesund zu bleiben oder nach einer psychischen Belastung wieder zu genesen.

Ein weiteres wichtiges Modell zur Resilienz stammt von Bernhard Badura, einem Soziologen, Philosophen und Politikwissenschaftler, der die Theorie der Selbstwirksamkeit entwickelte. Dieses Modell beschreibt die Wahrnehmung einer Person hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, mit Herausforderungen umzugehen. Die Fähigkeit zur Bewältigung von Lebenskrisen wird dabei von der individuellen Einschätzung der eigenen Kompetenzen beeinflusst. Eine positive Lebensbewältigung wird durch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sowie durch die Überzeugung, Kontrolle über Umweltereignisse ausüben zu können, begünstigt. Selbstwirksamkeit wird daher als eine essentielle Ressource betrachtet, die Handlungen und Verhaltensweisen steuert und es dem Individuum ermöglicht, schwierige Lebensumstände zu meistern.

Nach Siegrist umfasst das Resilienzkonzept mehrere wesentliche Einflussfaktoren. Ein Stressor wirkt akut auf das Individuum, löst ein Ungleichgewicht aus und aktiviert den Resilienzprozess. Wichtige protektive Umweltfaktoren sind das soziale Netzwerk und die gesellschaftliche Einordnung des Betroffenen. Personale Schutzfaktoren beziehen sich auf die Eigenschaften einer Person, die ihr helfen, Krisen erfolgreich zu bewältigen. Der Bewältigungsprozess hängt von der Ausprägung dieser Schutzfaktoren ab und beeinflusst das Entwicklungsergebnis.

Individuelle Resilienzfaktoren

ResilienzfaktorBeschreibung
Optimismus/SinnhaftigkeitOptimismus beschreibt die Fähigkeit, aktiv mit Herausforderungen umzugehen und Lösungen zu finden. Hoffnung auf die Zukunft und die Überwindbarkeit von Krisen fördern diese Resilienz.
Emotionale StabilitätEmotionale Stabilität bedeutet, negative Emotionen bewusst zu steuern und positive Maßnahmen zu ergreifen, um das psychische Wohlbefinden zu verbessern.
SelbstwirksamkeitDie Selbstwirksamkeit basiert auf erfolgreichen Erfahrungen, die den Glauben an eigene Fähigkeiten stärken und es ermöglichen, Stressoren als Herausforderungen zu betrachten.
Aktive Gestaltung der eigenen ZukunftEine vorausschauende und ganzheitliche Vorbereitung auf zukünftige Ereignisse ermöglicht es, die eigene Lebensgestaltung zu beeinflussen und persönliche Balance zu wahren.
LernprozessDie Fähigkeit, aus den Konsequenzen vergangener Ereignisse zu lernen und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu etablieren.
Netzwerkorientierung (Unterstützung)Ein unterstützendes soziales Umfeld stärkt den Einzelnen und fördert das aktive Geben und Nehmen innerhalb von Beziehungen.
AkzeptanzAkzeptanz bedeutet, unveränderbare Gegebenheiten anzunehmen und diese als Teil der Realität zu verstehen, was eine Grundlage für Achtsamkeit bildet.
FlexibilitätFlexibilität bezeichnet die Fähigkeit zur Anpassung an neue Situationen und die schnelle Reaktion auf Veränderungen.
LösungsorientierungAus den Faktoren Optimismus und Akzeptanz entsteht die Lösungsorientierung, die es ermöglicht, die Energie auf Lösungen statt auf Probleme zu fokussieren.
EigenverantwortungEigenverantwortung erfordert ein Bewusstsein für das eigene Verhalten und eine Befreiung aus der Opferhaltung.

Viele ältere Menschen bleiben trotz zahlreicher Stressfaktoren psychisch gesund und resilient. Zur Prävention psychischen Erkrankungen im Alter sollte die Förderung von Resilienz eine zentrale Rolle spielen. Etwa 20-26 % der über 65-Jährigen sind von depressiven Erkrankungen betroffen, wobei die Prävalenz in Seniorenheimen noch höher ist. Zu den Risikofaktoren zählen Einsamkeit, das Alter, chronische Erkrankungen, niedriger Bildungsstand, ein schlechter subjektiver Gesundheitszustand, funktionale und kognitive Einschränkungen sowie belastende Lebensereignisse. Depressive Erkrankungen führen häufig zu Funktionsstörungen, einer reduzierten Lebensqualität, sozialer Isolation, einer verminderten gesellschaftlichen Teilhabe, vorzeitigem Tod und erhöhten Gesundheitskosten.

Maßnahmen zur Resilienzprävention umfassen unter anderem Achtsamkeit, das bewusste Wahrnehmen positiver Aspekte, die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte, das Annehmen von Unterstützung und das aktive Bleiben. Auf gesellschaftlicher Ebene erfordert dies eine Kultur der Wertschätzung und Akzeptanz älterer Menschen, die Förderung von Teilhabe sowie die Schaffung positiver Altersbilder. Ziel sollte auch die verstärkte Aufklärung über psychische Erkrankungen und präventive Maßnahmen im Alter sein, sowie die Verbesserung der psychiatrischen Versorgungslandschaft.

Auch pflegende Angehörige profitieren von Resilienzförderung. Wesentliche Faktoren sind hier die Förderung von Selbstwirksamkeit, der Beziehungsqualität und sozialer Unterstützung. Das primäre Ziel der Resilienzförderung im Alter ist die Reduktion von Einsamkeit und sozialer Isolation sowie die Förderung von Teilhabe und subjektiver Lebensqualität. Dies kann dazu beitragen, die psychische und physische Gesundheit im Alter zu fördern und den Umgang mit altersbedingten Veränderungen zu erleichtern.

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